Inklusives Schulprojekt mit Tradition
Seit dem Schuljahr 2021/2022 lernen Schüler*innen der August Hermann Francke Schule und der Evangelischen Schule Spandau im Rahmen des inklusiven Schulprojekts „Schule ohne Grenzen“ gemeinsam in einem neuen Schulgebäude auf dem Gelände des Evangelischen Johannesstifts. Die Eigenständigkeit der Schulen bleibt dabei erhalten.
Die beiden Schulen arbeiten bereits seit 2009 zusammen: Als Nachbarinnen auf dem Gelände des Evangelischen Johannesstifts in Berlin-Spandau führten sie gemeinsame Theaterprojekte durch, organisierten gemeinsame Schulveranstaltungen und auch gemeinsamen Unterricht. In den Jahren 2020 und 2021 hat das gemeinsame Projekt mit dem Richtfest, dem Umzug der Kinder und schließlich der Schlüsselübergabe sowie der Eröffnung schnell Fahrt aufgenommen. Jetzt lernen die Schüler*innen der sechs Klassen der Grund- und Mittelstufe der August Hermann Francke Schule und eines Grundschulzugs der Evangelischen Schule Spandau auch dauerhaft gemeinsam in einem Haus. Im Frühjahr 2023 gab es eine Abschlussveranstaltung zum fünfjährigen internen Evaluationsprojekt und Anfang 2024 wurde ein gemeinsamer Schulsong mit den Musikern von „ich & Herr Meyer“ aufgenommen.
Lesen Sie hier eine Reportage aus dem gemeinsamen Unterrichtsalltag und hier das Interview mit den Schulleitungen zum Erfolg des gemeinsamen Projekts nach 1,5 Jahren.
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Besonderes Raumkonzept
Zu einer Klasse im neuen Gebäude gehören 6 bis 7 Schüler*innen der August Hermann Francke Schule und maximal 24 Schüler*innen der Evangelischen Schule Spandau. Beide Lerngruppen haben individuell ausgestattete Klassenräume, die durch einen Inklusionsraum verbunden sind. Er bietet Raum für gemeinsame Aktivitäten, in denen die Kinder und Jugendlichen die Vielfalt der Gruppe erfahren. Im eigenen, vertrauten Klassenraum können sie sich entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse zurückziehen.
Der neue von der Stiftung Evangelisches Johannesstift vor allem aus Fördermitteln und Spenden finanzierte Komplex trägt nach einem Großspender den Namen Reinhard-Lange-Haus. Er besteht aus vier miteinander verbundenen Pavillons, die kleine, als geschützte Freiräume dienende Innenhöfe haben. Neben einem großen Pausenhof mit Spiel- und Klettermöglichkeiten für alle und einer modern ausgestatteten Aula gibt es auch Pflegeräume, Therapieräume, einen Raum für Wahrnehmungsförderung, einen Musikraum sowie eine Werkstatt für Holz- und Töpferarbeiten.
Teilhabe im Zentrum
Grundlage der Inklusionsarbeit ist das gemeinsame pädagogische Konzept beider Schulen. Die pädagogischen Angebote orientieren sich an den individuellen Bedürfnissen, Potenzialen und Fähigkeiten der Kinder. Der Fokus liegt dabei auf schülerzentriertem Unterricht, Teilhabe und vor allem der Entfaltung der sozialen Kompetenzen. „Wir wünschen uns eine Schule, in der die Kinder und Jugendlichen täglich gemeinsam erfahren, dass wir alle Gottes Schöpfung sind und es daher überhaupt keine Grenzen zwischen uns gibt. Unsere Hoffnung ist, dass diese Kinder als Erwachsene im Leben diese Haltung und diese Erfahrung in die Gesellschaft einbringen“, so die Geschäftsführerin von Johannesstift Diakonie Proclusio Sylke Hölscher.
Das Schulprojekt wird mit Mitteln der Software AG Stiftung durch ein Evaluationsvorhaben begleitet. Es geht darum, Stolpersteine frühzeitig zu erkennen und fachwissenschaftlich begründet zu reagieren. Im Prozess stehen wir im engen Austausch mit Berliner Universitäten.
Zwei Schulen, ein inklusives Schulprojekt
Bereits seit 2009 arbeiten und lernen die Kollegien und Schüler*innen der benachbarten August Hermann Francke Schule und Evangelischen Schule Spandau in verschiedenen Projekten zusammen. Hier erhalten Sie einige Einblicke in die inklusive Tradition beider Schulen.
Ohren auf für inklusiv produzierte Hörspiele
Trotz der Corona-bedingten Kontaktbeschränkungen haben sich die August Hermann Francke Schule und die Evangelische Schule Spandau anlässlich des Welttags des Buches im April 2021 digital zu einem Hörspiel-Projekt zusammengefunden. Grundlage waren die zwei Bilderbücher „Fritzi und Wolle“ von Marion Stelter (Demosthenes-Verlag) und „Fisch ist Fisch“ von Leo Lionni (Beltz Verlag).
Die Schüler*innen der Klasse 5b der Evangelischen Schule Spandau sprachen die für das Hörspiel leicht veränderten Texte ein und unterlegten sie mit Geräuschen. Um die musikalische Begleitung kümmerten sich die sechs 8- bis 10-jährigen Kinder der Klasse EU1 der August Hermann Francke Schule. Neben Glockenspiel, Akkordeon, Flöte, Klanghölzern, Kinderharfe und Blumentopf wurden dafür auch Klassengeräusche und Laute der Schüler*innen genutzt. Das Ergebnis kann sich hören lassen …
Hörspiele
Theater vor großem Publikum
Im inklusiven Theaterprojekt „Die verrückte Teegesellschaft“ haben mehr als sechzig Schüler*innen der beiden Schulen in vielen Einzelproben und zwei Projektwochen die Welt von „Alice im Wunderland“ erkundet. Sie konnten sich mit scheinbarer Normalität und Verrücktheit, gesellschaftlichen Normen und Formen im Umgang miteinander spielerisch und mit Theatermethoden beschäftigen und das Ergebnis bei den Aufführungen in der Altstadt Spandau und im Evangelischen Johannesstift präsentieren.
Kulturen entdecken im Länderprojekt
Das Länderprojekt der Klassen 1 und 2 zeigt als weiteres Beispiel, wie Kinder im inklusiven Unterricht miteinander in Kontakt kommen können. Die Klassen entdeckten in jeder Unterrichtsstunde gemeinsam auf einer 90-minütigen Weltreise die Herkunftsländer der Schüler*innen beider Klassen. Sie steuerten ein bis zwei Länder an, um sie teils gemeinsam als ganze Klassen, teils in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit zu erkunden. Dabei wurde zuerst die Musik des Landes erlebt, dann folgte eine landestypische Aktion wie eine aufregende afrikanische Löwenjagd. Beim Basteln von polnischen und russischen Püppchen war Teamarbeit ein guter Weg. Das Transportieren von verschiedenen Materialien mit Stäbchen erforderte ein bisschen Geschicklichkeit und Übung, genau wie das türkische Steinwurf-Spiel. Besonders überrascht waren die Kinder über die Vielfalt der fremden Gerüche pakistanischer Gewürze.
Gemeinsam Lernen im Sachunterricht
Die Projekte „Jahresszeiten“ und „Mein Körper! Meine Ernährung! Mein Einkauf!“ ließen die Schüler*innen durch Gesang, Gebärden, Symbolkarten, im Rahmen von szenischem Handeln und dem Einbezug von Realobjekten auf vielfältige Weise miteinander die Themen entdecken. Gemeinsam entwickelten sie in Gruppenarbeit Geschichten, reflektierten über gesunde Ernährung, probierten Lebensmittel, planten Einkäufe und führten sie durch.