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Professionelle und vertrauenswürdige Beratung
Die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten werden immer vielfältiger. Durch den Fortschritt der modernen Medizin rücken ethische Fragen bei Ärzt*innen, Pflegenden, Patient*innen und Angehörigen in den Vordergrund. Denn nicht jede medizinisch mögliche Behandlung ist für den*die einzelne*n Patient*in im gleichem Umfang sinnvoll und von Nutzen. Insbesondere Situationen, bei denen es um Leben und Tod geht, stellen sowohl Patient*innen und Angehörige als auch Mediziner*innen und Pflegende vor schwierige Entscheidungen.
Eine ethisch besonders schwierige Situation ist gegeben, wenn der Wille des*der Patient*in – oft trotz vorhandener Patientenverfügung – nicht eindeutig festzustellen ist. Ein*e Patient*in hat beispielsweise verfügt, dass er*sie keine lebensverlängernden Maßnahmen wünscht. In der konkreten Situation sieht die medizinische Prognose aber danach aus, dass der*die Patient*in sich durch den kurzfristigen Einsatz einer solchen Maßnahme erholt und ein lebenswertes Leben führen kann. Hier stehen Ärzt*innen, Pflegende und Angehörige vor der schwierigen Entscheidung: Was ist der Wille des*der Patient*in auf die konkrete Problematik bezogen? Hat die Person eine solche Situation gemeint, als sie verfügt hat, auf lebensverlängernde Maßnahmen zu verzichten?
In der Evangelischen Lungenklinik Berlin besteht in einem solchen Fall die Möglichkeit eine ethische Arbeitsbesprechung durchzuführen. Ethikarbeit ist in der Lungenklinik eine Aufgabe aller Mitarbeitenden.
Ethikberatung
In einer Situation, in der ein*e Patient*in selbst nicht mehr den eigenen Willen klar artikulieren kann, müssen dafür autorisierte Menschen den mutmaßlichen Patientenwillen herausfinden. Dabei führt die Entscheidung ethischer Fragen fast immer in eine Dilemmasituation.
Eine ethische Arbeitsbesprechung unterstützt Ratsuchende (Patient*innen, Angehörige, Mitarbeitende des Hauses) in einer solchen Konfliktsituation. Eine ethische Arbeitsbesprechung bringt alle an der Behandlung Beteiligten an einen Tisch. Die Situation in ihrer gesamten Komplexität wird in einem gemeinsamen Gespräch, an dem Vertreter*innen aus verschiedenen Fachdisziplinen teilnehmen, durchdacht und beleuchtet. Die Einschätzung und Bewertung aller zu bedenkenden Aspekte hat die bestmögliche Behandlung für den*die Patient*in zum Ziel.
Ethikarbeit trägt dazu bei, gemeinsam Lösungen zu finden, die von allen Beteiligten mitgetragen und verantwortet werden können.
Bei der Beurteilung eines ethischen Dilemmas wird die konkrete pflegerische und medizinische Versorgungssituation in den Blick genommen. Alle am Fall beteiligen Professionen geben ihre Sicht auf den Fall wieder. Der mutmaßliche Wille des Patienten wird auf diese Weise möglichst objektiv ermittelt. Ein wesentlicher Aspekt einer ethischen Arbeitsbesprechung besteht darin, dass sie interdisziplinär ist. Dabei steht die Frage im Vordergrund: Was ist aus pflegerischer, ärztlicher, sozialer, seelsorglicher und juristischer Sicht das Beste für den Patienten?
Durch die Multiperspektivität der unterschiedlichen Sichtweisen werden verschiedene Möglichkeiten für ein weiteres Vorgehen unter ethischen Gesichtspunkten aufgedeckt. Der Blick auf die Situation weitet sich und den Beteiligten wird geholfen, eine unter ethisch-moralischen Aspekten „gute Entscheidung“ zu treffen.
Ziel der Beratung ist immer ein Konsens aller Beteiligten. Ethikarbeit ist ein Prozess - wenn nötig, finden auch mehrere Gespräche statt, um alle Aspekte zu beleuchten.
Die ethische Arbeitsbesprechung entscheidet nicht über das weitere Vorgehen. Die Empfehlung ist rechtlich nicht bindend. Ethische Arbeitsbesprechungen haben immer nur beratenden Charakter - die tatsächliche Entscheidung über das weitere Vorgehen liegt auf der medizinischen Ebene bei den behandelnden Ärzt*innen sowie auf der persönlichen Ebene bei den Angehörigen bzw. gesetzlich Vertretenden.
Die Ethikarbeit kommt insbesondere bei Fragen am Lebensende ins Spiel. Themen sind hier zum Beispiel der Einsatz von lebensverlängernden Maßnahmen. Auch eine Änderung des Therapieziels ist häufig Gegenstand der Beratung. Sofern eine Heilung der Patient*innen nicht mehr möglich ist steht eine symptomlindernde Behandlung als Alternative im Vordergrund, um die Lebensqualität und Zufriedenheit der Patient*innen zu verbessern.
Wenn bei der Behandlung von Patient*innen eine ethische Problemstellung auftritt wird eine ethische Arbeitsbesprechung auf der betreffenden Station anberaumt. Eingeladen werden: der*die betroffene Patient*in bzw. bevollmächtigte Personen und Angehörige, ein Mitglied des Ethikkomitees, der*die behandelnde Ärzt*in, die behandelnde Pflegekraft und andere an der Behandlung beteiligte Mitarbeitende. Aufgabe ist es, den mutmaßlichen Willen des*der Patient*in zu erheben, Behandlungsziele auf Grundlage der medizinischen Indikation darzulegen und dann im Konsens miteinander zu einer verbindlichen Vereinbarung hinsichtlich des weiteren Vorgehens zu gelangen.
Bildung, Begleitung, Öffentlichkeit – die drei Säulen unserer Ethikarbeit
In der Johannesstift Diakonie wurde ein eigenes Modell für die Ethikberatung in einem diakonischen Gesundheitsunternehmen entwickelt. Diese fußt auf den drei Säulen Bildung, Begleitung und Öffentlichkeit. Konkret bedeutet dies: Wir bieten unseren Mitarbeitenden eine einheitliche qualifizierte Ausbildung zum*zur Ethikberater*in, die Ethikkomitees werden von externen Expert*innen begleitet und wir stellen intern wie extern eine Öffentlichkeit für die Ethikarbeit in unserem Unternehmen her.
Ethikkomitee
- Das Ethikkomitee ist eine Organisationsform der Ethikarbeit. Es setzt sich aus Mitarbeitenden möglichst vieler verschiedener Berufsgruppen und Arbeitsbereiche zusammen. Es versteht sich als Diskussionsforum für ethische Themen und gibt Impulse für die Neuausrichtung von Handlungsweisen in der Evangelischen Lungenklinik Berlin.
- Durch Veranstaltungen wie „Indikationsgerecht behandelt und trotzdem ethisch in die Klemme geraten“ der Klinik werden Mitarbeitende für ethische Problemstellungen sensibilisiert sowie Offenheit und Vertrauen für deren Diskussion gefördert.
- Wiederkehrende ethische Problemstellungen werden im Ethikkomitee diskutiert und Problem vermindernde Handlungsempfehlungen an Entscheidungsträger*innen bis hin zur Klinikleitung gegeben.
- Aktuelle ethische Problemstellungen in der Behandlung von Patient*innen werden in ethischen Arbeitsbesprechungen auf den Stationen bearbeitet.
- Alle Mitarbeitenden werden seitens der Klinikleitung ermuntert, sich in Ethikarbeit an der Diakonie Akademie für Gesundheit und Soziales (DAGS) zu qualifizieren.
Das Ethikkomitee steht Mitarbeitenden, Patient*innen und Angehörigen durch Gesprächsangebote und Beratung bei ethischen Fragestellungen zur Seite, die sich bei der Versorgung der Patient*innen ergeben.
Das Ethikkomitee ist nicht zu verwechseln mit der klinischen Ethikkommission. Diese beurteilt Forschungsvorhaben im Rahmen von Arzneimittelstudien nach strengen ethischen Kriterien.
Patient*innenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung
Patient*innenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung sind dann wichtig, wenn Sie selbst nicht mehr in der Lage sind, Ihre Angelegenheiten zu regeln. Dieser Fall tritt zum Beispiel dann ein, wenn Sie im Koma liegen oder an einer Demenzerkrankung leiden.
Vorsorge-Verfügungen
In einer Patient*innenverfügung legen Sie fest, was medizinisch für Sie getan werden soll, wenn Sie selbst nicht mehr entscheiden und einwilligen können: Welche medizinischen Eingriffe und Maßnahmen sind von Ihnen ausdrücklich erwünscht? In welchem Fall sollen medizinische Maßnahmen (wie z.B. Wiederbelebung oder künstliche Ernährung) unterlassen werden?
Eine Patient*innenverfügung ist für alle an Ihrer Behandlung Beteiligten – Ärzt*innen, Pflegende, Angehörige, rechtliche Betreuer*innen oder Gerichte – verbindlich, wenn Ihr Wille in der konkreten Behandlungssituation klar erkennbar ist. Deshalb ist es wichtig, dass Sie möglichst konkret formulieren. Die Patient*innenverfügung bietet auch die Möglichkeit, Ihre Wertvorstellungen, Ängste und Ihre Haltung zum Leben und Sterben schriftlich festzuhalten. Diese Aspekte Ihrer Persönlichkeit können dem Behandlungsteam wichtige Hinweise auf Ihren Willen liefern. Auf den Seiten des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz finden Sie wichtige Hinweise und konkrete Formulierungshilfen für eine Patient*innenverfügung.
Die Patient*innenverfügung sollte schriftlich verfasst und eigenhändig von Ihnen unterschrieben werden. Sie können Sie zusätzlich notariell beglaubigen lassen – für ihre Wirksamkeit ist dies jedoch nicht notwendig.
Mit einer Patient*innenverfügung legen Sie fest, was im Falle, dass Sie nicht mehr selbst bestimmen können, gemacht werden soll. Durch eine Vorsorgevollmacht bestimmen Sie, wer in einem solchen Fall für Sie entscheiden und handeln darf. Dies bezieht sich nicht nur auf medizinische Entscheidungen, sondern auch auf die Verwaltung Ihres Vermögens oder die Vertretung in rechtlichen Belangen.
Ehepartner*innen oder eigene Kinder sind nicht automatisch bevollmächtigt, Sie zu vertreten. Auch nächste Angehörige müssen explizit durch Sie bevollmächtigt werden. Seit 01. Januar 2023 gilt zwar das sogenannte "Ehegattennotvertetungsgesetz". Wenn eine verheiratete Person z. B. wegen Bewusstlosigkeit oder Koma selbst nicht mehr in der Lage ist, in Gesundheitsangelegenheiten zu entscheiden, darf der Ehepartner bzw. die Ehepartnerin grundsätzlich Entscheidungen für sie treffen. Der bzw. die vertretende Ehepartner bzw. -partnerin kann dann z. B. in ärztliche Untersuchungen oder Heilbehandlungen einwilligen oder Krankenhaus- und Behandlungsverträge abschließen. Dies hilft Angehörigen und Behandelnden in der Notsituation gemeinsam zu Entscheidungen im Sinne des Betroffenen zu finden. Dennoch ersetzt diese Regelung nicht eine Planung der weiteren Versorgung, da das Gesetz nur für gesundheitliche Belange gilt. Wir empfehlen daher zusätzlich eine Vorsorgevollmacht anzulegen.
Wählen Sie eine Person aus Ihrem Umfeld aus, zu der Sie absolutes Vertrauen haben. Am besten besprechen Sie vorab mit dem*derjenigen, ob er*sie bereit ist, Sie zu vertreten. Sprechen Sie mit ihm*ihr über Ihre Wünsche und Vorstellungen. Der*die Bevollmächtigte sollte im Ernstfall gut zu erreichen sein und beispielsweise nicht weit entfernt von Ihrem eigenen Wohnort zu Hause sein.
Haben Sie keine*n gesetzliche*n Vertreter*in benannt, leitet das zuständige Gericht ein Verfahren ein, um eine*n gesetzliche*n Betreuer*in zu bestimmen.
Auf den Seiten des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz finden Sie hierzu weitere Informationen und auch ein Musterformular.
Wenn Sie niemanden haben, der für eine Vorsorgevollmacht in Frage kommt – z.B. weil Ihre Verwandten alle zu weit entfernt wohnen – kann eine Betreuungsverfügung für Sie sinnvoll sein. Ist niemand als Bevollmächtigte*r eingesetzt, springt normalerweise der Staat ein: das Betreuungsgericht bestimmt dann eine*n rechtliche*n Betreuer*in. In einer Betreuungsverfügung können Sie Ihre Vorstellungen über das Leben und das Lebensende darlegen: Sind Sie religiös? Mit welchen Angehörigen und Freund*innen wünschen Sie regelmäßigen Kontakt? Welche Aktivitäten sind Ihnen in Ihrem Alltag wichtig? Sollte lieber ein Mann oder eine Frau die Betreuung übernehmen?
Diese Informationen helfen dem Gericht, eine*n Betreuer*in für Sie auszusuchen. Ein*e fremde*r Betreuer*in kann sich ein Bild von Ihnen machen, um möglichst in Ihrem Sinne zu handeln.
Eine Betreuungsverfügung empfiehlt sich sogar dann, wenn Sie eine Vorsorgevollmacht haben: Bei Ehepartner*innen kann nur der*diejenige die rechtliche Vertretung übernehmen, der*die noch nicht hilfsbedürftig ist. Kommt diese*r später oder sogar gleichzeitig in die Situation, auf Hilfe angewiesen zu sein, kann eine Betreuungsverfügung den rechtlichen Rahmen regeln.