Mit Geschichten das Ankommen erleichtern
Es gibt viele Kinder in Berlin, die mit ihren Familien vor Kriegen oder widrigen Lebensbedingungen nach Deutschland geflüchtet sind. Hier angekommen stehen sie vor der Herausforderung, den Verlust des Zuhauses, geliebter Menschen, ihres ganzen bisherigen Lebens zu verarbeiten. Gleichzeitig ruht auf ihnen die Erwartung, in einem Land mit völlig fremder Sprache und Kultur schnell Kontakte zu knüpfen und sich zu integrieren. Erzählen beflügelt möchte vor allem diesen Kindern mit einer Welt voller Märchen, Musik und Worten den Zugang zur deutschen Sprache erleichtern. Auch das eigene Erzählen wird gefördert. Sich sprachlich ausdrücken zu können, die eigene Geschichte zu erzählen, zu performen, anderen mit Empathie zuzuhören und sich dabei selbst zu spüren: All das sind gerade für traumatisierte und benachteiligte Kinder wichtige Kompetenzen und Erfahrungen für ein selbstbestimmtes Leben.
„Kontinuität ist wichtig, denn Erzählen bedeutet auch, sich miteinander zu verbinden. Dank dem Engagement des Evangelischen Johannesstifts wie auch der Lehrer*innen können wir gemeinsam mit den Kindern Schritt für Schritt in die Welt des Geschichtenerzählens eintauchen. Es beglückt mich, die Kinder in sich selbst zu ermutigen, zu erleben, wie sie wachsen, sie auf ihrem Weg zum freien Erzählen zu begleiten.“
Arna Vogel, ErzählerinKooperation mit Erzählkunst e.V.
Erzählen beflügelt ist ein gemeinsames Projekt von Erzählkunst e.V. und der Kampagne „Kinder beflügeln“ der Johannesstift Diakonie sowie des Evangelischen Johannesstifts. Wir setzen es in den Willkommens- und Regelklassen der Grundschule am Birkenhain in Berlin-Spandau und der Rudolf-Hildebrand-Grundschule in Berlin-Tempelhof-Schöneberg um. Dabei kommt das Projekt geflüchteten und auch hier aufgewachsenen sozial benachteiligten Kindern zugute: Es fördert Sprachkompetenz, vergrößert den Wortschatz und verbessert die Fähigkeiten des Erzählens und der Präsentation.
„Ich erfahre, und das macht mir jedes Mal Freude, wie ich beim Erzählen die Kinder beflügle, sie mitreiße in die Geschichte. Die Kinder hören, sehen, fühlen mit mir. Sie werden durch das, was wir Erzählkünstler*innen ‚performative Kompetenz‘ nennen – also durch das Timing des Erzählens, die Komposition, die Pausen, das Repertoire der stimmlich-gestisch-körperlichen Mittel –, in die Vorstellungswelt der Geschichte hineingezogen. Am liebsten erzähle ich Märchen, in deren Mittelpunkt kleine, kindliche Protagonisten stehen. Oft sind diese anfangs schwach und müssen dennoch gegen große Gefahren kämpfen. Und zumeist gelingt es ihnen. Solche Geschichten vermitteln den Kindern Mut und Hoffnung, sich in schwierigen, scheinbar aussichtlosen Situationen zu bewähren.“
Soogi Kang, Erzählerin und Vorstandsvorsitzende Erzählkunst e.V.Sprachkompetenz verbessern mit professionellen Erzähler*innen
Professionelle Erzähler*innen besuchen einmal wöchentlich für eine Unterrichtsstunde Klassen mit sechs- bis zwölfjährigen Kindern. Die Erzählstunden folgen einem Ritual: Nach einem Lied präsentieren die Kinder die selbst gemalten Bilder der letzten Stunde. Dann leiten Verse oder kleine Spiele den gemeinsamen Aufbruch ins Märchenland ein. Die Geschichten beginnen mit einem Klangimpuls und enden mit einem gemeinsam gesprochenen Vers. Illustrationen fördern das Sprachverständnis. Mit Unterstützung der Klassenlehrer*innen malt jedes Kind in der nächsten Schulstunde ein Bild zur gehörten Geschichte.
Toleranz und Gemeinschaft statt Ab- und Ausgrenzung
Das Projekt setzt neben der Sprach- und Geflüchteten-Thematik noch an anderen Ausgangspunkten an: Schon Kinder in der Grundschule haben Abgrenzungs- und Ausschlussstrategien Erwachsener übernommen und wissen um soziale und ökonomische Unterschiede. In der Erzählzeit können die Kinder einander in einer gemeinsamen Geschichte begegnen und sich gegenseitig unterstützen, wenn die Worte fehlen. Die Interkulturalität und mit ihr Aufmerksamkeit, Respekt und Neugier anderen gegenüber werden gestärkt.
Erzählkunst
Ziele von Erzählen beflügelt
Fernseher und Handys haben das Märchenbuch oftmals verdrängt: zunehmender Bildschirmzeit von Kindern begegnen.
Selbstermächtigung: Ich erzähle meine Geschichte.
Sprachförderung: Wortschatz und Umgang mit deutscher Sprache verbessern sich.
Vorstellungskraft und Fantasie der Kinder anregen und entwickeln.
Gemeinschaftsbildung: Kinder begegnen einander als Kinder, unabhängig von der Herkunft.
Kennenlernen unterschiedlicher Kulturen und Eigenverortung: Wo gehöre ich hin?
Empathie entwickeln: Ich höre dir zu.
Einen Kontrapunkt zum ansteigenden Leistungspensum der Kinder schaffen.
Unterstützen Sie unser Projekt zur Sprachförderung
Um das Projekt weiterhin in die Schulen zu bringen, benötigen wir vor allem für die Gage der Erzähler*innen finanzielle Unterstützung. Pro Schuljahr ergibt sich ein Bedarf in Höhe von gut 10.000 Euro. Unser Dank gilt der Karl Weiss-Stiftung, die uns hierbei unterstützt. Doch wir brauchen dringend weitere Förderer*innen.