Der Crypto-Angriff auf die Einrichtungen der Johannesstift, zu der auch das Evangelische Krankenhaus Paul Gerhardt Stift gehört, ist in der Wittenberger Klinik weiterhin deutlich spürbar. Zwar läuft die Versorgung der Patient*innen inzwischen wieder fast im Normalbetrieb, allerdings hat der Hackerangriff vor allem hinsichtlich Wartezeiten bei Aufnahmeprozessen, in der Rettungsstelle oder bei Laboruntersuchungen gravierende Auswirkungen. „Wir können in der derzeitigen Situation nur alle Patientinnen und Patienten sowie die Angehörigen um Verständnis bitten. Unsere Mitarbeitenden zeigen größten Einsatz, um trotz der starken Beeinträchtigungen den laufenden Krankenhausbetrieb zu gewährleisten“, sagt Krankenhaus-Geschäftsführer Matthias Lauterbach.
Vor fast einer Woche hatten Hacker die 600 Server der Johannesstift Diakonie angegriffen und verschlüsselt. Interne und externe IT-Spezialisten konnten erste Server zwar wieder herstellen, noch ist aber nicht absehbar, bis wann alle Daten wieder zugänglich sein werden.
„Für unsere tägliche Arbeit im Krankenhaus ist dies wie eine Zeitreise in die 80er Jahre: Sämtliche Dokumentation muss nun wieder in Papierform erfolgen, was für unsere Kolleginnen und Kollegen natürlich eine enorme Mehrbelastung darstellt“, so Matthias Lauterbach. Am Beispiel eines Patienten in der Rettungsstelle zeigt er auf, was dies bedeutet: Statt die Versichertenkarte der Krankenkasse in wenigen Sekunden elektronisch einzulesen, müssen alle Daten händisch erfasst werden. Um dies zu realisieren, ist der Personalausweis des Patienten notwendig – was diesem natürlich vorab erklärt werden muss. Allein dieser Aufnahmeprozess dauert so bis zu 15 Minuten, denn alles, was vorher in den PC eingegeben wurde, muss nun handschriftlich, gut lesbar und mit allen relevanten Daten aufgeschrieben werden.
Weiter geht es dann, wenn Laborwerte notwendig sind: Bisher wurde im PC angeklickt, welcher Blutwert beispielsweise untersucht werden soll. Noch bevor das Pflegepersonal das Röhrchen mit der Blutprobe des Patienten im Labor abgegeben hatte, wusste man dort, was untersucht werden soll und das Ergebnis stand für die Kollegen der Rettungsstelle wenig später im PC zur Verfügung. Jetzt muss die Anforderung handschriftlich erfolgen, was wieder zu mehr Aufwand führt und wesentlich mehr Zeit Anspruch nimmt. Der Anforderungsschrein muss dann persönlich ins Labor gebracht und dort in das Laborsystem übernommen werden. Was vorher durchschnittlich 3 Minuten dauerte, braucht nun mindestens 15 bis 20 Minuten. „Bei durchschnittlich 60 bis 70 Patienten in der Rettungsstelle plus stationäre Patientinnen und Patienten auf unseren zehn Stationen vervielfachen sich Aufnahme- und Warteprozesse so erheblich“, bedauert der Geschäftsführer. Auch Pflegeberichte, OP-Berichte und Arztbriefe müssen handschriftlich dokumentiert werden. Die lückenlose Papierdokumentation ist für das Krankenhaus enorm wichtig – denn nur, wenn diese Daten in noch nicht absehbarer Zeit wieder in die Systeme eingepflegt werden können, kann für die erbrachten Leistungen auch die entsprechende Vergütung bei den Krankenkassen abgerechnet werden.
Und auch außerhalb der medizinischen und pflegerischen Versorgung bringt der Hacker-Angriff eine Vielzahl an Herausforderungen mit sich: Kostenträger und Lieferanten wurden darüber informiert, dass das Krankenhaus derzeit weder Rechnungen empfangen noch begleichen kann, sämtliche Kommunikation nach außen kann derzeit nur per Telefon und Fax erfolgen, da kein Zugriff auf die Mailadressen möglich ist und auch das WLAN-Netzwerk des Krankenhauses steht nicht zur Verfügung.
„Alle Mitarbeitenden spüren die Auswirkungen des Hackerangriffs sehr – und dennoch war und ist, wie schon in der Corona-Pandemie, ein großer Zusammenhalt spürbar“, lobt Herr Lauterbach. Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bereichen unterstützen beispielsweise das Team der Rettungsstelle; andere Mitarbeitende übernehmen die Laufwege von und zum Labor. „Was unsere Teams hier gerade leisten, verdient höchsten Respekt – dafür möchte ich im Namen des Krankenhaus-Direktoriums nochmals ein großes Dankeschön aussprechen.“
Die Krankenhaus-Einsatzleitung wird auch in der kommende Woche regelmäßig tagen, um das weitere Vorgehen zu besprechen und die Mitarbeitenden stets über aktuelle Fortschritte und Entwicklungen zu informieren.
Aktuelle Informationen finden Sie unter www.jsd.de oder unter www.jsd.de/pgstift