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Johannesstift Diakonie
Konfliktlotsen: Friedensstifter auf dem Pausenhof

Konfliktlotsen: Friedensstifter auf dem Pausenhof

An Berliner Grundschulen entstehen tagtäglich Situationen, in denen Schüler*innen unterschiedlicher Meinung sind und dabei in teils gewaltsame Konflikte geraten. Um solche Streitigkeiten gewaltfrei und eigenständig zu lösen, setzt „Kinder beflügeln“ auf die Ausbildung von sogenannten Konfliktlotsen.

Datum2024-12-18

Bereits ab der vierten Klasse lernen die Schüler*innen, Verantwortung für ihre Mitschüler*innen zu übernehmen, Empathie zu zeigen und konstruktiv zu vermitteln, um so zu einem besseren Miteinander an ihrer Schule beitragen zu können.

Im Clubhaus auf dem Gelände des Evangelischen Johannesstifts in Berlin-Spandau haben sich kürzlich rund 20 Viertklässler*innen der Lynar-Grundschule zu einem besonderen Workshop getroffen. Ihr gemeinsames Ziel: Konfliklots*innen werden. In einer dreitägigen Ausbildung lernen sie die Grundlagen dafür. Begleitet werden sie dabei vom pädagogischen Personal rund um Claudia Schwope, evangelische Religionslehrerin an der Lynar-Grundschule.

Krug oder Kerze?

Der zweite Tag der Ausbildung beginnt mit einem kleinen Rätsel. „Heute lüften wir ein Geheimnis“, kündigt Claudia Schwope an. Dafür haben sich die angehenden Konfliktlots*innen in zwei Gruppen aufgeteilt und gegenüber gesetzt. Zwischen ihnen – in der Mitte des Raumes – ist ein mit einem Tuch abgedeckter Gegenstand platziert. Nach einer Weile gespannten Wartens enthüllt Bernd Hübl, ehemaliger Konrektor an der Lynar-Grundschule in Spandau, das Objekt. Dann soll zunächst die eine Gruppe beschreiben, was sie sieht. Sie einigt sich auf einen handelsüblichen Krug und erntet fragende Blicke von der anderen Seite. Denn was sie nicht wissen: Der Krug ist zur anderen Seite hin offen und die Kinder dort erblicken eine lodernde Kerze.

Wie kann das sein? Schließlich ruft eine Schülerin: „Jeder erkennt etwas anderes aus seiner Sicht.“  Schwope stimmt zu: „Das ist ein Geheimnis der Mediation. Jeder sieht einen Streitfall aus seiner Perspektive und als Konfliktlotsin glaube ich beiden Streitenden und nehme sie zutiefst ernst. Denn es geht nicht darum, herauszufinden, wer Recht hat, sondern darum, dass die beiden in Zukunft friedfertig miteinander umgehen.“ 

Achtung: Gefühlsmonster!

In vielen Übungen geht es darum, den angehenden Konfliktlots*innen zu vermitteln, wie wichtig es ist, sich im Streitfall in die beteiligten Personen hineinzuversetzen und zu erkennen, wie sie sich fühlen. So auch, wenn die „Gefühlsmonster“ – fantasievolle Illustrationen verschiedener Gefühlslagen – ins Spiel kommen.

„Dieses Monster ist wütend“, ruft Mira und beschreibt die geballten Fäuste und die hochgezogenen Augenbrauen der Figur. „Das hilft, die Emotionen anderer besser zu verstehen“, ergänzt Schwope.

„Ach, du schon wieder!“

Wie spricht man Streitende am besten an? Mit sogenannten Herzöffner-Sätzen, erklärt Schwope den Kindern. „Ist ‚Ach, du schon wieder!‘ ein Herzöffner-Satz?“, fragt sie mit einem Augenzwinkern. „Nein!“, schallt es lautstark zurück. Doch beim Vorschlag „Ich sehe, dass es dir nicht gut geht. Setz‘ dich doch erst einmal hin“, sind sich alle einig: Das öffnet Türen zu einer friedlichen Kommunikation.

Was die Schüler*innen lernen, setzen sie im Anschluss in der Gruppe oder in Kleingruppen um. Die angehenden Konfliktlots*innen spielen, fachkundig begleitet, die ersten drei Phasen der Konfliktlosen-Streitschlichtung durch:  Es beginnt mit einer einladenden Begrüßung und mit dem Formulieren grundsätzlicher Regeln. „Wir lassen uns ausreden“ oder „Alles, was hier gesagt wird, bleibt unter uns“ – solche Grundsätze schaffen Vertrauen. In Phase 2 spiegeln die Konfliktlotsen das Geschilderte der Streitparteien, um darzustellen, was passiert ist und sicherzugehen, dass sie alles richtig verstanden haben. In der dritten Phase kommen die Herzöffner-Sätze ins Spiel, hier sollen die Streitenden beschreiben, wie sie sich im Moment des Konflikts gefühlt haben.

Fürs Leben lernen

Am Ende des zweiten Workshop-Tages gibt es viel zu verarbeiten. Morgen werden die Schüler*innen Phase 4 und 5 der Ausbildung kennenlernen. Dann wird es um  Problemlösungen und Vereinbarungen gehen. Die neunjährige Angeline kann es kaum erwarten, denn sie hat ein klares Ziel vor Augen: „Ich möchte Kindern helfen, dass sie nicht traurig, sondern fröhlich nach Hause gehen.“ Claudia Schwope kann nur zustimmen: „Was die Kinder hier lernen, stärkt nicht nur das friedfertige Schulleben, sondern begleitet sie ein Leben lang.“

In den nächsten Wochen können die angehenden Konfliktlots*innen ihr Wissen in weiteren Einheiten festigen. Sobald sie sich sicher fühlen, werden sie von erfahrenen Konfliktlots*innen begleitet und übernehmen ihre ersten Einsätze auf dem Pausenhof, um echte Konflikte zu lösen.

Über die Johannesstift Diakonie

Die Johannesstift Diakonie gAG ist das größte konfessionelle Gesundheits- und Sozialunternehmen in der Region Berlin und Nordostdeutschland. Über 10.793 Mitarbeitende leisten moderne Medizin, zugewandte Betreuung und Beratung im Einklang mit den christlich-diakonischen Werten des Unternehmens. Der Träger betreibt Einrichtungen in Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Niedersachsen mit einem vielfältigen Angebot in den Bereichen:

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