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Mit allen Sinnen Teil der Geschichte werden

Kennen Sie die Verfilmung von Michael Endes Kinderbuchklassiker „Die unendliche Geschichte“? Und erinnern Sie sich an die Szene auf dem Dachboden der Schule, als der Junge Bastian plötzlich Teil der Geschichte wird, die er gerade liest? So ähnlich geht es auch bei unserem Leseförderungsprojekt LeseAbenteuer auf dem Gelände des Evangelischen Johannesstifts in Berlin-Spandau zu. Die Kinder hören nicht nur zu, sondern erleben die Geschichten mit allen Sinnen und werden auch Teil der Handlung. So lauschen sie mit blickdichten Masken auf den Augen in die Stille hinein, die vor lauter Husten-, Raschel- und Atemgeräuschen auf einmal gar nicht mehr so leise ist. Oder sie trauen sich mit Taschenlampen in die Nacht hinaus, nachdem es plötzlich geklingelt hat und etwas Geheimnisvolles vor der Tür steht ...

„Die Vorleser*innen schaffen ein Erlebnis, bei dem die Kinder eine Geschichte mit allen Sinnen erfassen können. Die Kinder tauchen regelrecht in die Welt der Geschichte ein und identifizieren sich mit den Figuren. Sie erleben ein Abenteuer und werden zum Lesen motiviert. Professionelle Vorleser*innen begleiten die Kinder über einen ganzen Tag.“

Sonja Krumrick, Lehrerin, 35. Grundschule Berlin

LeseAbenteuer in Kooperation mit LesArt – Berliner Zentrum für Kinder- und Jugendliteratur

Schon seit mehr als zehn Jahren erfahren Kinder im Projekt LeseAbenteuer, wie überaus beeindruckend gelesene Geschichten und Bücher sein können. Das Projekt ist für die Klassenstufen 1 bis 6 konzeptioniert. Wir laden jeweils eine Klasse einer sogenannten Brennpunktschule zu einem LeseAbenteuer für alle Sinne ins Evangelische Johannesstift ein. Das Projekt der Kampagne „Kinder beflügeln“ der Johannesstift Diakonie und des Evangelischen Johannesstifts ermöglichen wir zehnmal jährlich gemeinsam mit LesArt, dem Berliner Zentrum für Kinder- und Jugendliteratur.

Leseförderung für Kinder bildungsferner Familien

Das Projekt LeseAbenteuer richtet sich vor allem an Kinder bildungsferner Familien, denen nicht vorgelesen wird und die auch selbst keinen Zugang zu Büchern haben. Bei unseren Veranstaltungen erleben sie das Lesen als pure Spannung, die durchaus mit Bildschirmmedien wie Fernsehen und Handy mithalten kann. Das fördert ihre Leselust und regt ihre Fantasie an.

Jede Geschichte bietet dem Projektteam genügend Möglichkeiten für spannende Nächte, die weit über eine normale Lesung hinausgehen.
Foto: Nico Kußmaul
Die Kinder, immer Schüler*innen einer Grundschulklasse, werden mit allen Sinnen Teil der Handlung.
Foto: Silke Willenborg
Das Abendessen, die gemeinsame Übernachtung im Evangelischen Johannesstift und das Frühstück am nächsten Morgen machen die LeseAbenteuer komplett.
Foto: Archiv

Essen und Übernachtung machen das Abenteuer komplett

Um den passenden Rahmen für das Förderprojekt LeseAbenteuer zu schaffen, essen vor Beginn der Geschichte alle gemeinsam zu Abend. Und weil alles Gehörte und Erlebte erst einmal sacken muss, übernachten die Kinder anschließend auch gemeinsam im Evangelischen Johannesstift und besprechen mitunter bis spät in die Nacht die Erlebnisse. Am nächsten Morgen verarbeiten sie die spannende Nacht beim Frühstück nochmal. Und zum Schluss gibt’s noch Bücher-, Hörbücher- oder Film-Geschenke für die Klassen.

„Lasst Eure Träume fliegen“

Lesen Sie selbst, wie spannend es bei unseren LeseAbenteuern zugeht:

Einblick LeseAbenteuer

Der 14-jährige Matti Lorch war 2013 während eines Praktikums als Reporter bei einer Lesenacht im Einsatz. Hier einige Auszüge aus seinem Bericht: 

„Lasst Eure Träume fliegen“

Eine Lesenacht, bei der sich alles ums Fliegen dreht – als ich gegen sieben Uhr abends am Treffpunkt auf dem Gelände des Johannesstifts ankam, war ich sehr gespannt, was mich erwartet. Den 14 Mädchen und sechs Jungen aus der vierten Klasse der Charlie-Rivel-Grundschule Spandau ging es bestimmt nicht anders.

(…)

Die Lesenacht begann später mit einer Durchsage des Flugpersonals: „Das Boarding beginnt jetzt! Bitte stellen Sie sich an, damit wir die Tickets ausgeben können.“ Ich habe, wie alle anderen, mein Flugticket bekommen und mir wurde mein Platz zugewiesen: L9 in der letzten Reihe. Uns wurden, wie in jedem Flugzeug, die Sicherheitsregeln erklärt und wir wurden gebeten, zum Start unsere Handys auszuschalten. Um den Ohrenduck beim Start zu verringern, bekam jeder ein Bonbon.

Als der Start begann, hörten wir kurze Abschnitte von Liedern, die vom Fliegen handelten. Die Flugbegleiter (Edda Eska und Frank Schulz vom Verein LesArt) fragten uns, wie wir die Lieder empfanden und was sie für Gefühle bei uns auslösten. Nachdem wir über die Lieder gesprochen hatten, stand ein Ratespiel auf dem Programm. Dabei musste ein Spieler eine Karte ziehen, auf der ein Fluggerät oder ein Tier abgebildet war, das fliegen kann. Dann musste er nur mit Bewegungen darstellen, was auf der Karte war. Sehr lustig fand ich dabei, die Grimassen der Kinder zu sehen.

Auf den Spuren von da Vinci

Nach dem Ratespiel wurden wir in zwei Gruppen aufgeteilt. Meine Gruppe ging mit Edda in das obere Stockwerk des Flugzeugs. Oben angekommen, erzählte sie uns etwas über die Geschichte und den Traum des Menschen vom Fliegen. Dann haben wir über Leonardo da Vinci geredet und es wurden Bilder von seinen Konstruktionen und Zeichnungen herumgegeben. Eine der Zeichnungen zeigte einen sehr komisch aussehenden Fallschirm. Wir bekamen ein quadratisches Stück Papier und vier Fäden, woraus wir selber einen Fallschirm bauten.

Als ich fertig war, habe ich den anderen Kindern geholfen und Fotos gemacht. Danach sind wir in das Treppenhaus gegangen und haben der anderen Gruppe durch einen Testflug unsere Fallschirme präsentiert. Nach einer kleinen Pause haben wir dann ein Suchspiel gespielt. Edda und Frank zeigten uns eine große Luftaufnahme auf einer Leinwand und Bilder von fünf kleinen Objekten, die wir in dem großen Bild finden sollten. Das letzte Bild war ein Plan des Johannesstifts, auf dem ein blauer Ballon abgebildet war. Diesmal stellte ich den Kindern eine Aufgabe: Sie mussten in der Aufnahme ihr Hotel ausfindig machen, was sie nach einiger Zeit auch schafften.

Da es schon spät war, wollten viele Kinder in das Hotel. Die anderen, die noch nicht müde waren, sind zu dem Ort gegangen, wo sich der Ballon befand. Als wir dort ankamen, fanden wir außer dem Luftballon auch einen Brief, in dem stand: „Lasst eure Träume fliegen.“

Wir sollten also unsere Träume auf einen Zettel schreiben und an den Ballon heften. Damit auch die anderen Kinder etwas davon hatten, beschlossen wir, den Ballon erst am folgenden Tag fliegen zu lassen. Anschließend verabschiedeten wir uns, ein spannender Tag ging zu Ende und die Kinder gingen müde ins Hotel.

„Unser Ziel ist es, Literatur für Kinder mit allen Sinnen erfahrbar zu machen“, hatte Claudia Lukat, die Projektleiterin von ‚Kinder beflügeln‘, mir gesagt. Am Ende des Tages hatte ich selbst erfahren, was sie damit gemeint hatte.

Lesen Sie hier Auszüge aus dem Bericht des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung

LeseAbenteuer bis zur Geisterstunde

„Da kam etwas auf der Straße, drüben auf der anderen Seite, näher und näher. Etwas Schwarzes kam da immer näher ... Etwas Großes und Schwarzes ... Etwas sehr Großes, sehr Schwarzes und sehr Dünnes ...“ Die Fünftklässler der Weddinger Gottfried-Röhl-Grundschule halten den Atem an. Gerade eben haben einige noch damit angegeben, dass sie die ganze Nacht aufbleiben wollen. Jetzt halten sie sich vor lauter Gruseln über Ronald Dahls „Sophiechen und der Riese“ die Hände vor die Augen. Dass GuRie, der Riese aus der Geschichte, jedoch gar nicht so furchterregend ist, werden sie erst später erfahren – in einer Nacht voller Überraschungen und spannender Erlebnisse.

(…) So ein Leseabenteuer lässt sich nicht mit knurrendem Magen bestehen. (…) Gut gestärkt tauchen die Kinder in die Geschichte ein, die damit beginnt, dass das Waisenkind Sophie zur Geisterstunde von GuRie ins Riesenland entführt wird. Als Sophie nachts aus dem Fenster des Schlafsaals des Waisenhauses guckt, hört GuRie ihr Herz pochen und greift sie sich.

Die Kinder rätseln. Wie ist es möglich, aus so weiter Entfernung ein Herz schlagen zu hören? Das liegt an GuRies großen Ohren, finden sie im Gespräch heraus. Kann man so leise Geräusche überhaupt hören? Die Kinder legen sich auf den Boden und streifen sich blickdichte Augenmasken über. Dann sollen sie ganz still sein. Doch so etwas wie Stille scheint es gar nicht zu geben. In einer Ecke raschelt es, Atemgeräusche sind zu hören – jemand hustet leise. Nach einer Weile tauschen sich alle über die ungewohnten Erfahrungen aus.

(…)  Inzwischen ist klar: GuRie steht für „Guter Riese“. Er sammelt Träume in Gläsern, um sie nachts in die Schlafzimmer der Menschen zu pusten. Sophiechen ist gar nicht traurig darüber, dass sie nicht mehr im Waisenhaus ist. Das Einzige, was sie wirklich stört, sind Blutschlucker, Hackepeter, Klumpenwürger und sechs weitere Riesen, die vor GuRies Höhle leben und sich nur allzu gerne von Menschenfleisch ernähren.

Am späten Abend klingelt das Telefon. Claudia, die Projektleiterin von „Kinder beflügeln“, ist beunruhigt. „Fehlt eines der Kinder?“, fragt sie in die Runde. Es wird durchgezählt – alle sind vollzählig. Sie berichtet, sie hätte gerade erfahren, dass jemand von draußen durchs Fenster hineingelugt hätte. Vorsichtig schaut sie mit den Kindern nach, was draußen los ist. In der Dunkelheit, ganz nah bei der Tür, steht eine Kiste. Darin verpackt: GuRies Traumgläser und ein Zettel mit einem Hilferuf. GuRie schreibt, die anderen Riesen seien in seine Traumothek eingebrochen. Er bittet die Kinder darum, ihre schönsten Träume in die Gläser zu sprechen und sie den Menschen unter die Fenster zu stellen, damit sie gut träumen. Spät am Abend geht es also mit Taschenlampen hinaus, um GuRie aus der Patsche zu helfen.

Als die Kinder von ihrer Nachtwanderung zurückkehren, stehen zwei Gläser mit ganz besonderen Träumen direkt aus dem Riesenland bereit. Also schnell Zähne geputzt, Gläser geöffnet und rein in die Betten. Tatsächlich dauert es eine Weile, bis wirklich Nachtruhe einkehrt. Aus den Zimmern hört man noch eine Weile Flüstern und Gemurmel, das sich um GuRie, Sophiechen und das Riesenland dreht.

(…)

Auszüge aus dem Erlebnisbericht von Nico Kußmaul, Projektassistenz bei „Kinder beflügeln“. 

(…) 

Der Schwerpunkt liegt tatsächlich auf dem LeseABENTEUER. Die Kinder dürfen die Literatur mit allen Sinnen wahrnehmen. So wurde die von zwei LesArt-Mitarbeiterinnen frei erzählte Geschichte „Aladin und die Wunderlampe“ oft pausiert, um Granatapfelkerne zu schmecken, Seidentücher zu fühlen, Musik aus dem Orient zu lauschen, selbst kreativ zu werden oder sogar bei einer nächtlichen Wanderung Gehörtes plötzlich in der Realität zu beobachten.

Das braucht Zeit, um zu wirken. Den Kindern geht vieles über Nacht nicht mehr aus dem Kopf. Offene Fragen werden nach einem gemeinsamen Frühstück am nächsten Morgen geklärt und der Abend reflektiert. Anschließend werden die Kinder mit jeder Menge schönen Erinnerungen und einem Exemplar der Geschichte in Buchformat, finanziert durch Spenderinnen und Spender der Kampagne „Kinder beflügeln“, ins Wochenende entlassen.

(…)

Wecken auch Sie die Leselust der Kinder

Bei den LeseAbenteuern entführen wir Kinder bildungsferner Herkunft in die spannende Welt der gelesenen Geschichten und Bücher. Die Lesenächte inklusive Verpflegung, Unterkunft und Buchgeschenken für jedes Kind werden zu 100 Prozent aus Spenden finanziert. Unser großer Dank für die bisherige finanzielle Unterstützung gilt der Gertrud und Hugo Adler-Stiftung, der Kemis-Stiftung, der Stiftung Nächstenliebe und der Wilhelm Weidemann Jugendstiftung.

„Die Mitarbeit am Projekt ‚Kinder beflügeln‘ war eine schöne Abwechslung in meinen stressigen Lernphasen. Auch wenn ich nicht viel mit den Kindern zu tun hatte, waren die gemeinsamen Momente beim Essen oder Hin- und Herführen schon ziemlich abenteuerlich. Das Besondere ist die Atmosphäre in der kleinen Gruppe am Freitagabend, die morgens natürlich weitergeht. Einfach dieses Gemütliche am Johannesstift zeichnet die Lesenächte meiner Meinung nach aus.“

Nur Al-Michref, Ehrenamtliche
Roter Button mit dem Logo des Evangelischen Johannesstifts

Projekt LeseAbenteuer

Wollen auch Sie mit uns Leselust und Fantasie wecken? Wir freuen uns auf Ihre Hilfe.

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Kontaktperson
Kontaktperson

Ansprechpartnerinnen

Porträt Silvia Kemper
Silvia Kemper
Projektkoordination
Projektkoordination

Silvia Kemper

Schauspielerin und Theaterpädagogin. Projektkoordinatorin bei der Ingeborg Dauß Stiftung und bei den LeseAbenteuern. Voll dabei und ganz nah dran als KulturPilotin im Team Euterpe und in der KinderSommerUni.

Schauspielerin und Theaterpädagogin. Projektkoordinatorin bei der Ingeborg Dauß Stiftung und bei den LeseAbenteuern. Voll dabei und ganz nah dran als KulturPilotin im Team Euterpe und in der KinderSommerUni.
Porträt Karolin Techert
Karolin Techert
Projektassistenz
Projektassistenz

Karolin Techert

Sozialarbeiterin (B.A.) und Studentin (M.A.) im Bereich Gesundheits- und Sozialmanagement. Seit Mai 2019 unterstützt sie das „Kinder beflügeln“-Team bei den LeseAbenteuern und in der Projektverwaltung.

Sozialarbeiterin (B.A.) und Studentin (M.A.) im Bereich Gesundheits- und Sozialmanagement. Seit Mai 2019 unterstützt sie das „Kinder beflügeln“-Team bei den LeseAbenteuern und in der Projektverwaltung.
030 33609-749030 33609-749karolin.techert@jsd.de

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