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Professionelle und vertrauenswürdige Beratung
Nicht jede medizinisch mögliche Behandlung ist für den*die einzelne*n Patient*in im gleichen Umfang sinnvoll und von Nutzen. Insbesondere Situationen, bei denen es um Leben und Tod geht, stellen sowohl Patient*innen und Angehörige als auch Mediziner*innen und Pflegende vor schwierige Entscheidungen.
Eine ethisch besonders schwierige Situation ist gegeben, wenn der Wille des*der Patient*in – oft trotz vorhandener Patient*innenenverfügung – nicht eindeutig festzustellen ist. Ein*e Patient*in hat beispielsweise verfügt, dass er*sie keine lebensverlängernden Maßnahmen wünscht. In der konkreten Situation sieht die medizinische Prognose aber danach aus, dass er*sie sich durch den kurzfristigen Einsatz einer solchen Maßnahme erholt und ein lebenswertes Leben führen kann. Hier stehen Ärzt*innen, Pflegende und Angehörige vor der schwierigen Entscheidung: Was ist der Wille des*der Patient*in auf die konkrete Problematik bezogen? Hat er*sie eine solche Situation gemeint, als er*sie verfügt hat, auf lebensverlängernde Maßnahmen zu verzichten?
Im Evangelischen Krankenhaus Paul Gerhardt Stift besteht in einem solchen Fall die Möglichkeit das Ethikkomitee anzurufen, um eine ethische Fallbesprechung durchzuführen.
Bildung, Begleitung, Öffentlichkeit – die drei Säulen der Ethikarbeit in der Johannesstift Diakonie
In der Johannesstift Diakonie wurde ein eigenes Modell für die Ethikberatung in einem diakonischen Gesundheitsunternehmen entwickelt. Diese fußt auf den drei Säulen Bildung, Begleitung und Öffentlichkeit. Konkret bedeutet dies: Wir bieten unseren Mitarbeitenden eine einheitliche qualifizierte Ausbildung zum*zur Ethikberater*in, die Ethikkomitees werden von externen Expert*innen begleitet und wir stellen intern wie extern eine Öffentlichkeit für die Ethikarbeit in unserem Unternehmen her.
Ethikberatung
In einer Situation, in der ein*e Patient*in selbst nicht mehr seinen*ihren Willen klar artikulieren kann, müssen dafür autorisierte Menschen den mutmaßlichen Patient*innenwillen herausfinden. Dabei führt die Entscheidung ethischer Fragen fast immer in eine Dilemmasituation.
Eine ethische Beratung unterstützt Ratsuchende (Patient*innen, Angehörige, Mitarbeitende des Hauses) in einer solchen Konfliktsituation. Ethikberatung bringt alle an der Behandlung Beteiligten an einen Tisch. Die Situation in ihrer gesamten Komplexität wird in einem gemeinsamen Gespräch, an dem Vertreter*innen aus verschiedenen Fachdisziplinen teilnehmen, durchdacht und beleuchtet. Die Einschätzung und Bewertung aller zu bedenkenden Aspekte hat die bestmögliche Behandlung für den*die Patient*in zum Ziel.
Ethikberatung trägt dazu bei, gemeinsam Lösungen zu finden, die von allen Beteiligten mitgetragen und verantwortet werden können.
Möglichst unter Einbeziehung des*der betroffenen Patient*in und/oder bevollmächtigter Personen und Angehörigen soll der mutmaßlichen Willen des*der Patient*in erhoben werden, Behandlungsziele sind auf Grundlage der medizinischen Indikation darzulegen und dann soll im Konsens miteinander zu einer verbindlichen Vereinbarung hinsichtlich des weiteren Vorgehens zu gelangen.
Bei der Beurteilung eines ethischen Falls wird die konkrete pflegerische und medizinische Versorgungssituation in den Blick genommen. Alle am Fall beteiligen Professionen geben ihre Sicht auf den Fall wieder. Der mutmaßliche Wille des*der Patient*in wird auf diese Weise möglichst objektiv ermittelt. Ein wesentlicher Aspekt ethischer Beratung ist, dass sie interdisziplinär ist. Dabei steht die Frage im Vordergrund: Was ist aus pflegerischer, ärztlicher, sozialer, seelsorglicher und juristischer Sicht das Beste für den*die Patient*in?
Durch die Multiperspektivität der unterschiedlichen Sichtweisen werden verschiedene Möglichkeiten für ein weiteres Vorgehen unter ethischen Gesichtspunkten aufgedeckt. Der Blick auf die Situation weitet sich und den Beteiligten wird geholfen, eine unter ethisch-moralischen Aspekten „gute Entscheidung“ zu treffen.
Ziel der Beratung ist immer ein Konsens aller Beteiligten. Ethikberatung ist ein Prozess - wenn nötig, finden auch mehrere Gespräche statt, um alle Aspekte zu beleuchten.
Die Ethikberatung entscheidet nicht über das weitere Vorgehen. Die Empfehlung des Ethikkomitees ist rechtlich nicht bindend. Ethischen Fallbesprechungen haben immer nur beratenden Charakter - die tatsächliche Entscheidung über das weitere Vorgehen liegt auf der medizinischen Ebene bei den behandelnden Ärzt*innen, auf der persönlichen Ebene bei den Angehörigen bzw. gesetzlichen Vertreter*innen.
Die Ethikberatung kommt insbesondere bei Fragen am Lebensende ins Spiel. Themen sind hier zum Beispiel der Einsatz von lebensverlängernden Maßnahmen. Auch eine Änderung des Therapieziels ist häufig Gegenstand der Beratung: Ist eine Heilung des*der Patient*in nicht möglich, wird eine palliative Behandlung empfohlen, also eine symptomlindernde Behandlung, die die Lebensqualität und Zufriedenheit des*der Patient*in verbessert.
Nachdem eine Anfrage für eine Fallbesprechung bei einem Mitglied des Ethikkomitees eingegangen ist, verständigen sich die erreichbaren Mitglieder des Ethikkomitees über das weitere Vorgehen. Entweder wird der Fall direkt vor Ort besprochen oder retrospektiv im Ethikkomitee nachreflektiert.
Wird eine ethische Fallbesprechung anberaumt, versammeln sich Mitglieder des Ethikkomitees nach Möglichkeit innerhalb eines Werktages auf der Station, von der die Anfrage kam. An der Fallbesprechung nehmen möglichst alle an der Versorgungssituation beteiligten Professionen teil.
Oberste ethische Maxime ist die Geltendmachung des Patient*innenwillens vor dem Hintergrund der medizinischen Situation. Kann der*die Patient*in diesen nicht mehr äußern, muss der mutmaßliche Patient*innenwille erhoben werden. Hierbei werden Betreuungsvollmachten, Vorsorgevollmachten und Patient*innenverfügungen beachtet und die Angehörigen beteiligt.
Ethikkomitee
Die enorm gewachsenen Behandlungsmöglichkeiten in einem modernen Krankenhaus werfen immer wieder auch ethische Fragen auf. Neben medizinischen und pflegerischen Aspekten stehen heute auch die ethischen Wertvorstellungen der Patient*innen und seiner Angehörigen im Fokus. Wenn Fragen wie „Was ist der Wille des Patienten?“ oder „Was ist in dieser Erkrankungssituation angemessen?“ im Raum stehen, kann es hilfreich sein, das Ethikkomitee um Hilfe zu bitten. Es besteht aus Mitarbeitenden verschiedener Berufsgruppen und Kliniken des Krankenhauses.
Aufgaben und Ziele des Ethikkomitees
Zu den Aufgaben des Ethikkomitees zählen unter anderem Einzelfallberatungen in ethischen Konfliktsituationen, aber auch Beratungen im Team bei schwierigen Entscheidungssituationen. Dabei soll jeweils die für die Betroffenen beste Empfehlung, insbesondere mit Blick auf die Lebensqualität, gefunden werden.
Das Team möchte dazu beitragen, dass Verantwortung, Selbstbestimmungsrecht, Vertrauen, Respekt, Rücksicht und Mitgefühl als Werte die Entscheidungen und den Umgang mit Menschen in unserem Krankenhaus prägen. Alle Gespräche finden immer vertraulich und unter Beachtung der ärztlichen Schweigepflicht statt.
In der Beratung geht es nicht darum, über Behandlungsmöglichkeiten zu urteilen, sondern eine ethisch begründete und für alle Beteiligten nachvollziehbare Empfehlung zu treffen. Deshalb können an dem Gespräch Mitglieder des Ethikkomitees, der*die behandelnde Ärzt*in, die Pflegekraft und der*die Betroffene, dessen Angehörige beziehungsweise gesetzliche Vertreter*innen teilnehmen. Gemeinsam wird die Situation aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Es werden alle relevanten medizinischen, pflegerischen und sozialen Aspekte dargelegt. Im zweiten Schritt wird die ethische Fragestellung diskutiert. Die Beteiligten formulieren zum Abschluss ihre Empfehlung.
Ethikkomitee
Das Ethikkomitee bespricht mit den an der Behandlung beteiligten Personen den Fall aus ethischer Sicht. Bei Bedarf können auch externe Expert*innen wie zum Beispiel Jurist*innen hinzugezogen werden.
Entwicklung von Handlungsempfehlungen
Das Ethikkomitee entwickelt zu häufig wiederkehrenden ethischen Fragestellungen (Beispiele: Umgang mit Patient*innenverfügungen, künstlicher Ernährung am Lebensende) allgemeine Handlungsempfehlungen.
Sensibilisierung der Mitarbeitenden zu ethischen Themen
Unabhängig von den ethischen Einzelfallbesprechung bietet das Ethikkomitee niederschwellige Schulungen und Gesprächsrunden an. Hier können Mitarbeitende allgemeine ethische Aspekte des Berufsalltags mit den Ethikberater*innen besprechen.
Das Ethikkomitee steht Mitarbeitenden, Patient*innen und Angehörigen mit Gesprächs- und Beratungsangeboten bei ethischen Fragestellungen zur Seite, die sich bei der Versorgung der Patient*innen ergeben.
Das Ethikkomitee ist nicht zu verwechseln mit der klinischen Ethikkommission. Diese beurteilt Forschungsvorhaben im Rahmen von Arzneimittelstudien nach strengen ethischen Kriterien.
Patient*innenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung
Patient*innenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung sind dann wichtig, wenn Sie selbst nicht mehr in der Lage sind, Ihre Angelegenheiten zu regeln. Dieser Fall tritt zum Beispiel dann ein, wenn Sie im Koma liegen oder an einer Demenzerkrankung leiden.
Vorsorge-Verfügungen
In einer Patient*innenverfügung legen Sie fest, was medizinisch für Sie getan werden soll, wenn Sie selbst nicht mehr entscheiden und einwilligen können: Welche medizinischen Eingriffe und Maßnahmen sind von Ihnen ausdrücklich erwünscht? In welchem Fall sollen medizinische Maßnahmen (wie z.B. Wiederbelebung oder künstlicher Ernährung) unterlassen werden?
Eine Patient*innenverfügung ist für alle an Ihrer Behandlung Beteiligten – Ärzt*innen, Pflegende, Angehörige, rechtliche Betreuer*innen oder Gerichte – verbindlich, wenn Ihr Wille in der konkreten Behandlungssituation klar erkennbar ist. Deshalb ist es wichtig, dass Sie möglichst konkret formulieren. Die Patient*innenverfügung bietet auch die Möglichkeit, Ihre Wertvorstellungen, Ängste und Ihre Haltung zum Leben und Sterben schriftlich festzuhalten. Diese Aspekte Ihrer Persönlichkeit können dem Behandlungsteam wichtige Hinweise auf Ihren Willen liefern. Auf den Seiten des Bundesministeriums der Justiz finden Sie wichtige Hinweise und konkrete Formulierungshilfen für eine Patient*innenverfügung.
Die Patient*innenverfügung sollte schriftlich verfasst und eigenhändig von Ihnen unterschrieben werden. Sie können Sie zusätzlich notariell beglaubigen lassen – für ihre Wirksamkeit ist dies jedoch nicht notwendig.
Mit einer Patient*innenverfügung legen Sie fest, was im Falle, dass Sie nicht mehr selbst bestimmen können, gemacht werden soll. Durch eine Vorsorgevollmacht bestimmen Sie, wer in einem solchen Fall für Sie entscheiden und handeln darf. Dies bezieht sich nicht nur auf medizinische Entscheidungen, sondern auch auf die Verwaltung Ihres Vermögens oder die Vertretung in rechtlichen Belangen. Ehepartner*innen oder eigene Kinder sind nicht automatisch bevollmächtigt, Sie zu vertreten. Auch nächste Angehörige müssen explizit durch Sie bevollmächtigt werden.
Wählen Sie eine Person aus Ihrem Umfeld aus, zu der Sie absolutes Vertrauen haben. Am besten besprechen Sie vorab mit dem*derjenigen, ob er*sie bereit ist, Sie zu vertreten. Sprechen Sie mit ihm*ihr über Ihre Wünsche und Vorstellungen. Der*die Bevollmächtigte sollte im Ernstfall gut zu erreichen sein und beispielsweise nicht weit entfernt von Ihrem eigenen Wohnort zu Hause sein.
Haben Sie keine*n gesetzliche*n Vertreter*in benannt, leitet das zuständige Gericht ein Verfahren ein, um eine*n gesetzliche*n Betreuer*in zu bestimmen.
Wenn Sie niemanden haben, der für eine Vorsorgevollmacht in Frage kommt – z.B. weil Ihre Verwandten alle zu weit entfernt wohnen – kann eine Betreuungsverfügung für Sie sinnvoll sein. Ist niemand als Bevollmächtigte*r eingesetzt, springt normalerweise der Staat ein: das Betreuungsgericht bestimmt dann eine*n rechtliche*n Betreuer*in. In einer Betreuungsverfügung können Sie Ihre Vorstellungen über das Leben und das Lebensende darlegen: Sind Sie religiös? Mit welchen Angehörigen und Freund*innen wünschen Sie regelmäßigen Kontakt? Welche Aktivitäten sind Ihnen in Ihrem Alltag wichtig? Sollte lieber ein Mann oder eine Frau die Betreuung übernehmen?
Diese Informationen helfen dem Gericht, eine*n Betreuer*in für Sie auszusuchen. Ein*e fremde*r Betreuer*in kann sich ein Bild von Ihnen machen, um möglichst in Ihrem Sinne zu handeln.
Eine Betreuungsverfügung empfiehlt sich sogar dann, wenn Sie eine Vorsorgevollmacht haben: Bei Ehepartner*innen kann nur der*diejenige die rechtliche Vertretung übernehmen, der*die noch nicht hilfsbedürftig ist. Kommt diese*r später oder sogar gleichzeitig in die Situation, auf Hilfe angewiesen zu sein, kann eine Betreuungsverfügung den rechtlichen Rahmen regeln.