Einblicke


Ein Freiwilliges Soziales Jahr im Hospiz
Elisabeth K. und Michiel S. machten im Jahrgang 2017/18 ein Freiwilliges Soziales Jahr im Friederike Fliedner Hospiz im Evangelischen Geriatriezentrum Reinickendorf (EGZB). Lena P. unterstützte im Simeon Hospiz im Evangelischen Johannesstift in Berlin Spandau. Alle drei berichten darüber.
„Ich dachte, dass ich mehr weinen würde, weil ich so nah am Wasser gebaut bin“, erzählt Elisabeth von ihrer Erfahrung im Hospiz. Emotional schwierig findet sie allerdings, wenn die Angehörigen Abschied nehmen. „Da gab es so schöne Momente, da war so viel Liebe zwischen ihnen zu spüren, da musste ich weinen“.
Auch Lena wollte während ihres FSJ der Frage nachgehen, wie Menschen im Hospiz mit ihrem Schicksal umgehen. Ihre Erfahrung war, dass Lachen und Reden insbesondere im Hospiz sehr wichtig sind.
Michiel hatte in den FSJ-Seminaren Elisabeth und Lena aus ihrer Arbeit erzählen hören. Nach einigen Monaten in der Wohngemeinschaft für demenziell Erkrankte im Jochen-Klepper-Haus auf dem Stiftsgelände suchte der Amsterdamer noch eine andere Herausforderung. Michiel hat die Hospizgäste u.a. bei Aktivitäten, wie der Kunsttherapie, begleitet: „Solche Aufgaben haben mir am meisten Spaß gemacht. Nachmittags habe ich den Kuchen in die Zimmer gebracht, den ich morgens selber gemacht habe. Das war ein guter Anlass, mit Gästen ins Gespräch zu kommen. Oft waren die Hospizgäste begeistert, dass ein 18-jähriger Junge mit selbstgebackenem Kuchen vorbei kam.“
„Wir alle finden die Arbeit im Hospiz sehr wichtig“, erzählt Elisabeth. „Für die Gäste sind wir die Menschen, die sich in ihrer letzten Lebensetappe um sie kümmern, und wenn keine Angehörigen mehr da sind, sind wir die Familie.
„Wir sind auch bei einem Sterbenden geblieben, damit er nicht alleine ist, bis seine Frau kommt. Die Atmung veränderte sich und dann ging er. Es war so beeindruckend, bei einem so intimen Moment dabei sein zu dürfen. Ich habe kaum noch Angst vor dem Tod, konnte auch meine Oma besser gehen lassen, weil ich sah, dass es ein schöner Tod war, “ sagt Elisabeth.
„Ich denke, dass ich viel bewusster geworden bin im Umgang mit dem Tod“, sagt Michiel. „Einerseits schätze ich das Jung- und-gesund-sein viel mehr und andererseits spüre ich auch mehr Druck, meine Lebenszeit immer nützlich einzuteilen“.
Freiwilliges Soziales Jahr in der Neuropsychologie
„Die Entscheidung, ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Neuropsychologie des Evangelischen Geriatriezentrums zu machen, ist für mich eine sehr wertvolle Erfahrung, die ich nicht mehr missen möchte.“, sagt Louise.
„Zum einen ist es eine optimale Gelegenheit, nach der langen Schullaufbahn einen guten Einblick in das Berufsleben, welches früher oder später jeden von uns erwartet, zu gewinnen, denn man wird gut in das Team integriert, übernimmt eigenständig Aufgaben und trägt Verantwortung. Zum anderen kommt man in Kontakt mit verschiedensten Menschen und Charakteren.“
„Zu meinen Aufgaben als freiwillige Helferin in der Neuropsychologie gehört zum einen die computergestützte Therapie, in der überwiegend mit Schlaganfallpatient*innen gearbeitet wird. Ziel dieser Therapieform ist es, die Hirnleistung der Patient*innen durch bestimmte Trainingsprogramme zu verbessern. Um diese Programme bedienen und verstehen zu können, muss man kein*e Fachmann*frau sein, denn die Handhabung ist nicht schwer und viele Programme sind selbsterklärend, wodurch das Verständnis noch deutlicher gemacht wird. Die Patient*innen zu animieren mich zur computergestützten Therapie zu begleiten, erweist sich das ein oder andere Mal als kleine Herausforderung, bei der etwas Kreativität gefragt ist. Einige reagieren skeptisch, wenn sie das Wort „Computer“ hören, „denn für so etwas bin ich doch viel zu alt“. Umso schöner ist es zu sehen, dass gestellte Aufgaben verstanden und selbständig bewältigt werden, Patient*innen sich steigern können und sich schließlich freuen, am Computer arbeiten zu dürfen. Durch die große Auswahl an verschiedenen Trainingsprogrammen und die individuellen Charaktere der Patient*innen wird diese Aufgabe nicht langweilig.“
„Das Neuro-Team steht mir immer mit Rat und Tat zur Seite. Sie informieren mich über besondere Eigenschaften von Patient*innen, schildern mir Ursachen ihrer Defizite, geben mir Tipps wie ich in bestimmten Situationen reagieren kann und gaben mir von Anfang an das Gefühl, ein wertvoller Teil ihres Teams zu sein.“
Ein Gespräch mit Ahmadin A.
Geflüchteter aus Afghanistan, im Bundesfreiwilligendienst in der Behindertenhilfe
Es war ein langer Weg hierher. Im Oktober 2015 ist Ahmadin mit seinem damals 16-jährigen kleinen Bruder über Serbien und Bulgarien bis Wien gekommen. Da verlor er den kleinen Bruder. Über München führte seine lange verzweifelte Suche nach ihm bis Eisenhüttenstadt, der Sammelstelle, von der aus die Geflüchteten in Brandenburg verteilt wurden. Falkensee, Elstal, Dallgow und schließlich Nauen waren seine Stationen. Sein kleiner Bruder landete derweil in Regensburg. Eine Zusammenführung war bisher nicht gestattet, da er als Minderjähriger in eine Betreuungsform gehörte.
Ahmadins Sechser im Lotto war, dass Alexandra L. als ehrenamtliche Deutschlehrerin in sein Wohnheim kam und zu seiner hartnäckigen Unterstützerin wurde. Sie wurde aufmerksam darauf, dass Geflüchtete in der Johannesstift Diakonie einen Bundesfreiwilligendienst machen können und nahm Kontakt auf zum Referat Freiwilligendienst. Die Behindertenhilfe signalisierte Offenheit und NEBO stellte sich schnell als geeignete Einsatzstelle heraus.
Am Anfang war alles neu. In Afghanistan bleiben Menschen mit Behinderung in ihren Familien, die sich um sie kümmern müssen oder sie werden isoliert. Dass sie in Deutschland in einer Einrichtung leben, war ihm sehr fremd. Beim ersten Besuch auf mehreren Gruppen NEBOs war Ahmadin schockiert. „Aber ich dachte: Einfach gucken. Denke positiv. Finde Menschen. Wenn du einen Unfall hast, bist du auch behindert.“
Als Ahmadin in Deutschland ankam, sprach er mehrere Sprachen Afghanistans, der angrenzenden Länder und manches mehr, hatte dort bereits als Übersetzer gearbeitet. Bei einem der ersten Seminartage wurde er bewundert für die vielen Sprachen, die er konnte.
Seine Sprachkenntnisse wuchsen mit jedem Sprachkurs, die er konsequent aneinander reihte bis zum Integrationstest „Leben in Deutschland“, den er locker bestand.
Bei NEBO wurde er gleich mit offenen Armen empfangen, sagt Anja Krause, Teamkoordinatorin.
Wenn nach dem Spätdienst auf der Gruppe Ruhe einkehrte, setzten sich die Kolleg*innen mit ihm zum Lernen hin. „Ich habe die Lösung erst alleine gesucht“, sagt er, „und wenn ich nicht weiter kam, haben sie mit mir die Hausaufgaben gemacht. Ich kam und war einsam. Ich habe hier angefangen und Kolleg*innen getroffen. Es sind Freunde geworden.“
Von den Seminartagen der Freiwilligen, an denen er teilnahm, hat ihn besonders der Tag über alte Menschen und Demenz sehr interessiert und die Exkursion in Moschee und Synagoge. In der Synagoge hat er die anderen Freiwilligen mitgerissen mit seinen Fragen und als er dabei feststellte, wie ähnlich sich die beiden Religionen seien. „Aber Menschen sind wichtiger als Religionen“, sagt er. Auch wenn er gut begründen kann, warum Alkohol im Islam verboten ist. „Hand und Finger sind auch nicht gleich.“
Er ist in die berufsbegleitende Ausbildung zum Heilerziehungspfleger an den Sozialen Fachschulen der Johannesstift Diakonie aufgenommen und wartet nun darauf, dass eine Klasse starten kann. Möglich ist das, weil er bei NEBO seit März eine Teilzeitanstellung hat und dazu die Erfahrung des Freiwilligendienstes. Das reicht, um ohne anerkanntes Abitur zu starten. Alle haben daran mitgearbeitet, seine Mentorin Alexandra L., die Behindertenhilfe und Anna Bruns vom Referat Freiwilligendienste.
Anja Krause erzählt, wie mühelos der Sprung vom Freiwilligen zum Mitarbeiter im Gruppendienst war. In sehr kurzer Zeit habe er gelernt, Medikamente zu stellen, sich in die Dokumentation am PC einzuarbeiten und könne alleine arbeiten.
Schwer falle ihm noch so etwas wie Urlaubsplanung. Er habe einen starken Willen und sei ein Ausnahmetalent.
Sein Traum war, hier leben zu können. Ansonsten hat Ahmadin aufgehört, zu träumen. Es gibt kaum noch Kontakt nach Hause, zu seiner Frau und seiner Familie. Seine ganze Hoffnung ist, dass er wieder mit seinem kleinen Bruder zusammen sein kann.
Dieses Jahr läuft das Sonderprogramm Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug aus. Das Referat Freiwilligendienste der Johannesstift Diakonie wird weiterhin versuchen, Geflüchtete auch über das geringer geförderte Regelprogramm Freiwilliges Soziales Jahr in Einsatzstellen zu vermitteln, um sie bei der Integration zu unterstützen und eine Perspektive zu ermöglichen.
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